STEF STAUFFER

Erwachsen werden ist kein Schleck

Der erste Mundartroman «Hingerhang» von Stef Stauffer schildert die Mühsal des Erwachsenwerdens: aus eigener Erinnerung und in einem kraftvollen Landberndeutsch.

«Wi aut dass me eigetlech syg, hets de öppe gheisse, u di richtegi Antwort wäri gsi, genau das syg äbe der Punkt. Benäh söui me sech wi erwachse, aber wes de um ds Dörfe gängi, syg me de blitzartig wider Ching… Es soublöds Auter.» So fühlt es sich an, wenn man dreizehn ist und alle daneben findet: die sturen Eltern, die einem Salat aufzwingen, die nervigen Geschwister, die Lehrer sowieso und die Klassenkolleginnen, die bloss den Buben gefallen wollen. Dabei ahnt man, dass einem die andern selber blöd finden, zumindest mühsam.

Jugend in Buchsi

Stef Stauffer (*1965), die bereits in vier Büchern Figuren aus der Vergangenheit eine Stimme verliehen hat, versetzt sich jetzt vierzig  Jahre zurück nach Münchenbuchsee. Am glücklichsten war sie damals bei den Pferden der bäuerlichen Nachbarn, vor allem in Gesellschaft des nur wenig älteren Knechts. Dieser Bützu ist ein «schlauer Siech», der immer «öppis ir Hingerhang» het, also einen geheimen Plan zum Erfolg. Er lässt das Mädchen erst geraume Zeit den Stall ausmisten und die Gäule striegeln, vor allem ihre dreckige Hinterhand. Als sie dann reiten darf und ihr Talent dafür beweist, wächst ihr Selbstbewusstsein: «Jitz het me zerschtmal ds Gfüeu übercho, Füdle zha. Es uhuereguets Gfüeu.»

Stimmiges Porträt

Sie geniesst die in ihrem bürgerlichen Elternhaus verpönte Stallsprache und die Eskapaden mit Bützu zum Rennplatz an Stelle der gehassten sonntäglichen Familienwanderungen. Was bei manchen Lesenden ähnliche Erinnerungen wecken mag. Denn die Autorin schreibt nicht einfach eine Autobiografie, sondern entwirft das stimmige Porträt einer jungen Frau auf der Suche nach sich selber.

Was in den noch stärker von Männern dominierten siebziger Jahren nicht einfach war. Dass die namenlose Icherzählerin von sich selber als «me» (man) redet, entspricht nicht nur dem Sprachgebrauch ihrer ländlichen Umgebung, sondern verstärkt den Eindruck von Allgemeingültigkeit.   

      Unbefangen plaudert sie drauflos und nimmt kein Blatt vor den Mund. Was den Redefluss kapitelweise strukturiert, ist ihre Auseinandersetzung mit oft gehörten Lebensweisheiten wie «Dr Gschyder git nah.» Dass sie solche Sprüche nicht einfach ablehnt, sondern ein Korn Wahrheit darin findet, zeigt ihre zunehmende Reife.

Chüschtiges Berndeutsch

Zur Frage, warum sie zum ersten Mal Mundart schreibe, sagt Stef Stauffer: «Jede Ambiance braucht ihren Stoff. Manchmal ist es Brokatseide und diesmal halt ein Jutesack.» In Zusammenarbeit mit der Lektorin des Zytglogge Verlags hat sie ihre eigene Schreibweise entwickelt mit Ausdrücken wie «Kualität», «Sümfonie» oder «Fondü Schinuas». Wer das schlecht versteht, sollte den Text laut lesen. Und sein chüschtiges Berndeutsch auf der Zunge zergehen lassen. Bleibt zu hoffen, dass er auch als Hörbuch erscheiNT.

Stef Stauffer: Hingerhang. Zytglogge Verlag, 136 S.

Marie-Louise Zimmermann, erschienen in der Berner Zeitung vom 1.10.2018.