JONAS JONASSON

Der Mörder, der Jesus begegnete

Der neue Roman des schwedischen Bestsellerautors ist weit weniger reich an witzigen Einfällen und rasanter Spannung als seine Geschichten vom Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg oder der Analphabetin, die rechnen konnte. Dafür viel böser.

Das geschieht fast jedem Autor, dem ein Erstling gelingt: Die Kritik bejubelt ihn, um ihm dann beim zweiten Buch vorzuwerfen, es wiederhole bloss das Erfolgsrezept. Und für das dritte ernet er in der Regel Verrisse.
Ob es Jonas Jonasson  besser ergehen wird? Der 54jährige Schwede landete 2011 einen Weltbestseller: «Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand»  wurde in 23 Sprachen übersetzt und allein auf Deutsch über 4 Millionen mal verkauft. Die aberwitzigen Abenteuer des unzähmbaren Alten, der die Mächtigen veräppelte, waren unwiderstehlich.
Ebenso amüsant verhinderten zwei Jahre später eine geniale junge Afrikanerin und ihre skurrilen Freunde eine Atomkatastrophe. Zugleich thematisierte «Die Analphabetin, die rechnen konnte» die Ungerechtigkeit der Rassendiskriminierung. Der Wälzer dominierte ebenfalls monatelang die Bestsellerlisten.

Keine Sympathieträger
Natürlich schreibt Jonas Jonasson weiter, auch wenn er es längst nicht mehr nötig hat. Keineswegs auf Drängen seines Verlags, sagt er, sondern weil er nichts Anderes könne als fabulieren. Allerdings mit spürbar weniger Spass: Sein dritter Roman mit dem noch sperrigeren Titel «Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind» wirkt viel düsterer als seine Vorgänger.
Die Empathie mit den Figuren fällt schwer: Es sind nicht mehr liebenswerte Aussenseiter, sondern kaltblütige Kriminelle. Der aus dem Knast entlassene dreifache Mörder Anders findet Unterschlupf in einer dubiosen Stockholmer Pension. Dort arbeitet an der Reception Per Petterson, verbittert ob dem Verlust des Familienvermögens. Zusammen mit der Pfarrerin Johanna, die wegen Fluchens auf der Kanzel den Job verlor, gründen sie eine «Körperverletzungsagentur»: Für ein happiges Honorar kann man sie beauftragen, jemandem die Extremitäten zu brechen.

Mit angezogener Handbremse
Diese Dienstleistung ist in zwielichtigen Kreisen sehr gefragt und wird vom unterbelichteten Anders gerne ausgeführt. Bis er dank der Bibel der Pfarrerin zu Jesus findet und sich fortan weigert, die schon bezahlten Brutalitäten auszuführen. Das ruft die Mafia auf den Plan. Da hat Johanna die Idee, aus dem bekehrten Schläger einen spendenträchtigen Prediger zu machen. Was dank grosszügig ausgeschenktem Abendmahlswein gelingt – bis sich die rachsüchtigen Gangster einmischen.
Mehr sei nicht verraten von der eh überraschungsarmen Handlung. Das Roadmovie bleibt  in der Satire auf den religiösen Fundamentalismus stecken. Wobei die Kalauer über das fassweise getrunke Blut Jesu wohl gläubige Christen vor den Kopf stossen. Daneben kriegen auch der bürokratische Sozialstaat und die sensationsgeilen Medien ihr Fett weg. Doch wie die Knochenbrecherei ist das alles wenig lustig. Trotzdem werden die 500’000 Exemplare der Erstausgabe wohl bald ausverkauft sein.

Marie-Louise Zimmermann
(erschienen 10.4. in «Schweiz am Sonntag»)