FRANZ HOHLER

Ein unerschöpflicher Fabulierkünstler

Unter dem Titel „Der realistische Fantast“ hat Martin Hauzenberger eine Fülle von Material über das Leben und Schaffen des 72jährigen Kabarettisten, Musikers und Schriftstellers  Franz Hohler zusammengetragen: eine Chance für vergnügliche Wiederbegnungen und nachgeholte Entdeckungen.

„Mein Buch will weder wissenschaftlich noch literarisch sein“, stellt Martin Hauzenberger gleich zu Anfang klar. „Es ist eine Chronik von Franz Hohlers Leben und seiner Arbeit, die eng miteinander verwoben sind“.  Der Journalist und Liedermacher ist wie gemacht für diese Aufgabe: erprobt im Recherchieren und vertraut mit der Schweizer Kleinkunstszene.

Auf den möglichen Vorwurf mangelnder Distanz zum alten Freund verweist er auf dessen ironische Selbstkritik, die ihn auf seiner Website die negativsten Rezensionen zitieren lässt. Diese findet man ebenfalls in der dicken Biografie, die alles zu vereinen scheint, was über Franz Hohler geschrieben wurde.

Reichhaltiges Werk
Seine Produktivität und Vielseitigkeit beeindrucken: Vierzehn Soloprogramme,  drei Romane, elf Kinderbücher, zwölf Theaterstücke, vier Filme, Radio- und Fernsehserien und nicht zuletzt zahllose Erzählungen. In der frühesten erhaltenen Geschichte dichtet der Achtjährige Verse über einen abstürzenden Reiter. Das ist bezeichnend für Hohlers Fabulierkunst: unter der skurrilen Fantasie und dem überraschenden Witz tun sich oft Abgründe auf.

Das gilt insbesondere für seine Kabarettnummern, mit denen er anfänglich als Germanistikstudent  im Heizungskeller der Universität Zürich auftritt. Und seine sprachspielerischen Chansons virtuos auf dem Cello begleitet. Alle möglichen Instrumente, auch selbst gebastelte, bleiben ein wichtiges Element seiner Programme.

Politisches Engagement
Ab den siebziger Jahren wird Franz Hohler in seinen erfolgreichen Soloauftritten zunehmend politisch, getrieben von Sorgen um Umweltzerstörung, soziale Ungerechtigkeit, Krieg. Davon geprägt sind auch die „Denkpausen“, wie er seine viertelstündigen Satiresendung am Schweizer Fernsehen nennt. Trotz ihrer Beliebtheit macht er 1983 Schluss damit: Weil ein von ihm in Mundart gesungenes Lied von Boris Vian nicht gesendet wird, das zur Dienstverweigerung auffordert.

Kurz zuvor hat ihm der Zürcher Regierungsrat eine Ehrengabe für seinen Roman „Die Rückeroberung“ verweigert. Trotzdem (oder gerade deshalb) wird diese Zukunftsvision einer von der Natur überwucherten Zivilisation zum Bestseller, wie vorher schon sein Katastrophenroman „Der neue Berg“.

2005 fügt sich dann doch ein Zürcher Kunstpreis in die Liste seiner 28 in- und ausländischen Auszeichnungen. Eine Kinderjury hätte ihn längst preisgekrönt,  für seine Tschipo-Bücher wie für die Fernsehsendungen mit René Quellet. Geschätzt werden auch Franz Hohlers originelle Wanderbücher, in denen sich an alltäglichen Beobachtungen überraschende Gedanken entzünden.

Vergnügliche Begegnungen
Eine so umfangreiche Produktion beansprucht zwangsläufig den meisten Raum in einer Künstlerbiografie. Doch auch Privates kommt nicht zu kurz: Die Jugend in Seewen und Olten mit kulturnahen Lehrereltern, dann das eigene Familienleben in Zürich-Oerlikon mit seiner Frau und den beiden Söhnen, nicht zuletzt der grosse Freundeskreis.

Eine Bereicherung bedeuten die 17 ausführlichen Beiträge aus dem persönlichen oder beruflichen Umfeld des Menschen und Künstlers Franz Hohler. Dank dessen Erinnerungsvermögen und umfangreichen Archiv konnte Martin Hauzenberger einen beeindruckenden Faktenreichtum zusammengetragen, hinter den er selber bewusst zurücktritt. Das ausführliche Register werden alle schätzen, die sich künftig mit dem Thema befassen.

Bei der Lektüre der chronologisch erzählten Lebens- und Werkgeschichte  erwachen viele vergnügliche Erinnerungen: Man begegnet noch einmal dem berühmten  Totemügerli oder der Made in Hongkong , dem Lied vom Chäs oder von den Leuten, die alli so nätt sind. Und holt schmunzelnd nach, was man seinerzeit verpasst hat.


Erzählungen und Kinderbuch
Eben sind zwei neue Bücher von Franz Hohler erschienen:
Ein Feuer im Garten enthält eine bunte Mischung vorwiegend neuer Texte, zwischen einer Zeile und fünf Seiten kurz. Darin finden sich Impressionen aus Weltstädten oder den Schweizer Alpen, Alltagsbegegnungen, Kindheitserinnerungen und Altersprobleme, eine witzige Sage, ein steinzeitliches  Suppenrezept, eine virtuose Fremdwortspielerei, eine pointierte Bestandesaufnahme der politischen Schweiz und vieles mehr. Wer jede Woche eine der Minierzählungen liest, kann sich ein ganzes Jahr daran freuen.
Die Nacht des Kometen erzählt von zwei Kindern, die in ihren Bergferien ein fantastisches Abenteuer erleben: Ein Felsblock wird zum Kamel und trägt sie durch eine Zeitspalte zum Stall von Bethlehem, wo sie gerade zur Stunde Null christlicher Zeitrechnung ankommen. Die vielen bunten Illustrationen von Kathrin Schärer machen die Geschichte auch für ungeübte ABC-Schützen attraktiv. Und sie eignet sich bestens zum Vorlesen in der Vorweihnachtszeit.
Martin Hauzenberger: Der realistische Fantast. Römerhof Verlag, 392 S.
Franz Hohler: Ein Feuer im Garten: Luchterhand, 126 S.;  Die Nacht des Kometen: Hanser, 126 S.


Marie-Louise Zimmermann
(erschienen in der Berner Zeitung vom 10.11.2015)