KAISERSTUHL

Des Kaisers blühender Garten

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Die Obstbäume an den Sonnenhängen des Kaiserstuhls blühen schon anfangs April.

Der Hügelzug, der unweit von Basel aus der badischen Rheinebene ragt, ist ein geologischer und klimatischer Sonderfall. Sonnenheisse Rebberge und blumenreiche Magerwiesen erinnern an südlichere Gegenden. Zu Fuss oder per Velo entdeckt man ungewöhnliche Pflanzen und Tiere, und hübsche Städtchen bieten preisgünstige Gastlichkeit: ein ideales Ziel für ein Frühlingswochenende.

Mächtig zieht es uns derzeit in den Süden. Doch auch jenseits der nördlichen Landesgrenze findet man – ganz ohne Stau! – eine mediterran anmutende Gegend: Der Hügellzug Kaiserstuhl- Tuniberg bildet im Schutz von Schwarzwald und Vogesen eine kleine Wärmeinsel mit den höchsten Temperaturen und dem geringsten Niederschlag Deutschlands.

Die sanft gewellte Landschaft gründet auf verwittertem Vulkangestein. Darüber liegt eine dicke Schicht Löss, entstanden in der letzten Eiszeit aus Gesteinsmehl, das der Wind aus der Rheinebene hierher verfrachtet hat. Auf diesem fruchtbaren Boden gedeiht einer der besten deutschen Weine, dazu eine Fülle von Obst. Ob das dem Gebiet seinen kaiserlichen Namen eingetragen hat? Von der Klimagunst profitieren auch vielerlei aus dem Mittelmeerraum eingewanderte, in unseren Breitengraden seltene Baum- und Orchideenarten, Vögel, Reptilien und Insekten.

Seltene Tiere und Blumen
Der Frühling kommt hier ungewöhnlich früh: Schon anfangs April breitet sich am Fuss der Hügel das duftige weisse Meer der Kirschblüten. Im Gras unter den Bäumen stochert ein Pärchen Wiedehopfe mit stolzem Kopfschmuck nach Futter. Gelb leuchten zwischen den knospenden Reben an den terrassierten Hängen die Stauden von Färberwaid, aus dem man früher einen indigoblauen Farbstoff gewann. Und zuoberst prangen Buchen und Eichen im zarten ersten Grün.

Auf einer Trockenmauer am Wegrand geniesst eine prächtige Smaragdeidechse die schon tüchtig einheizende Sonne. Schattig sind dagegen die tief eingefressenen Hohlwege, die einer südlichen Vogelart ideale Nistplätze bieten: Bienenfressern graben ihre Bruthöhlen in die weichen Mergelböschungen. Ihre Farbenpracht zieht Ornithologen von weither an.
Doch die scheuen Vögel sind nicht leicht zu beobachten (Tipp: die Brutwand in Kiechlinsbergen). Wer sie sicher sehen will, bucht eine Exkursion des Naturzentrums Ihringen oder einen spezialisierten Wanderführer, vermittelt vom Tourismusbüro Breisach. Dort bekommt man auch viel präzise Information, um das überschaubare Gebiet zu Fuss oder auf dem Rad zu erkunden.

Zu Fuss oder per Velo
Gepflegte Wander- und Radwege durchziehen Rebberge, Obstgärten und Laubwälder, eine Eisenbahn und Busse verbinden Ausgangs- und Zielorte. Am bekanntesten ist der Kaiserstuhlsteig, zertifiziert als „Deutscher Qualitätswanderweg“; über zwanzig Kilometer mit vielen kurzen, aber steilen Auf- und Abstiegen scheinen jedoch happig für einen Tag. Und an schönen Sonntagen sind hier Scharen unterwegs, so wie auch auf der anderen Süd-Nord-Verbindung, dem Neunlindenweg. Meist allein wandert man dagegen auf den kürzeren Themenrouten mit den Tier- oder Pflanzennamen (allerdings ohne Garantie, diese dort auch anzutreffen).

Einen Höhepunkt für botanisch Interessierte bedeutet das Liliental am Südrand des Kaiserstuhls. Das grosse Arboretum der Baden-Würthembergischen Forstanstalt wirkt mit seinen lockeren Baumgruppen in weiten Magerwiesen wie ein englischer Park. Kiefern und Flaumeichen dagegen erinnern ans Mittelmeer, Mammutbäume an Nordamerika, der Birkenhain an Russland.

Hauptattraktion sind aber die drei Dutzend Orchideenarten, die zu verschiedenen Zeiten im Sommerhalbjahr hier blühen. Wie bunte Ostereier verstecken sie sich im hohen Gras, locken vielerlei Schmetterlinge an. Und im Herbst gibt es hier massenhaft Gottesanbeterinnen, eine skurrile Heuschreckenart.

Baudenkmäler und Tafelfreuden
Blumen schmücken auch die Dörfer mit ihren liebevoll erhaltenen Riegelhäusern. Im Hauptstädtchen Breisach wurde ebenfalls sorgfältig restauriert, was die Truppen Napoleons und die Bomben des 2. Weltkriegs verschonten. Von den bunten Häuserzeilen der Fischhalde steigt man zwischen Reb- oder Kiwispalieren und schon im April blühenden Rosen auf den Münsterberg. Hoch auf einem Vulkanfelsen thront die romanisch-gotische Stephanskirche aus rotem Sandstein, bekannt für ihren schönen Schnitzaltar und Martin Schongauers grosses Fresko des Jüngsten Gerichtes.
Vom Kirchenplatz reicht der Blick bis zu Jura, Vogesen und Schwarzwald. Die stragetische Lage hat Breisach seit 4‘000 Jahren eine wechselvolle Geschichte beschert. Nachvollziehen kann man sie im Historischen Museum im prunkvollen Stadttor, das der Architekt Vauban für Ludwig XIV entworfen hat. Sein Hauptwerk, eine riesige Festungsanlage, wäre im französischen Nachbarstädtchen Neuf Brisach jenseits des Rheins zu bestaunen.

Doch der Mensch lebt nicht vom Schauen allein. Zu verlockend sind die Gaumenfreuden, vor allem die frisch gestochenen Spargeln mit „Chratzete“, dem lokaltypischen Eiergericht. Dazu passt der süffige Weiss- oder Grauburgunder aus dieser gesegneten Gegend. Besser könnte auch ein Kaiser nicht tafeln.

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Hoch thront das Stephansmünster über dem alten Städtchen Breisach am Rhein.
(Bilder: zvg Touristik-Breisach)

Info und Tipps
Anfahrt: ab Basel nach Breisach per Zug oder Autobahn.
Oev: Bahn rund um den Kaiserstuhl und Busnetz. Gratis mit Gästekarte.
Reisezeit: Am schönsten im April/Mai. Sommer heiss, Herbst (Weinlese) überlaufen.
Standorte: Breisach, Ihringen, Endingen, Vogtsburg
Unterkunft: vorwiegend in bescheidenen, preisgünstigen Gasthäusern, Winzerhöfen, Fremdenzimmer. Fürs Wochenende rechtzeitig reservieren!
Info: Beim Tourismusbüro  Breisach am Rhein (+0049 7667 940155) Wanderkarte mit Routenbeschreibungen und  Prospekte zu Unterkünften, Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen. www.kaiserstuhl.eu

Marie-Louise Zimmermann
(erschienen in der Berner Zeitung vom 8.4.2015)