FAMILIENWANDERN

So kommen Kinder gerne mit

Unterwegs auf dem Haslitaler Zwergenpfad

Es gibt zwei goldene Regeln, um den Nachwuchs zum Wandern zu bewegen: Der Weg muss kurzweilig sein und das Ziel die Anstrengung lohnen. Kinder hassen blosses Marschieren. Sie wollen Neues entdecken, Abenteuer erleben, in der Natur spielen.

„Wie wit geits no? Wenn si mer de ändlech da?“ Wer kennt dieses Gejammer nicht? Manche Kinder hüpfen zwar voraus wie junge Gämsen. Die meisten finden aber das von den Erwachsenen so geschätzte Gehen bloss mühsam. Zwingt man sie zum „Familienschlauch“, werden sie später kaum mehr freiwillig Wanderschuhe anziehen.

Rücksicht nehmen
Mehr Erfolg hat, wer auf ihre Bedürfnisse und Einschränkungen eingeht: Kinder mögen nicht zu lange und nicht steil bergauf marschieren, aber auch nicht auf langweiligen Wegen. Drei Stunden gelten als Leistungsgrenze, wobei man bei der Zeitberechnung mindestens die Hälfte zugeben muss. Und Kinder brauchen regelmässige Pausen zum Trinken, Essen, Spielen.
Auch mögliche Gefahren und Aengste muss man beachten: In alpinem Gelände gehen bergauf die Kleinen, bergab die Grossen voran. Und an exponierten Stellen hilft eine erwachsene Hand, ein Seil oder eine Repschnur.
In Nepal fragte einmal ein Sherpa kopfschüttelnd, warum die Fremden wohl ohne Lohn solche Strapazen auf sich nähmen, nur um zuletzt am Ausgangspunkt anzulangen. Kinder denken ähnlich: Sie nehmen zwar Aussicht und Blumen durchaus wahr; wichtiger ist ihnen aber ein Ziel, das die Anstrengung lohnt.

Spielen am Wasser
Das kann auch bloss ein Picknick sein an einem hübschen Plätzchen, wo man Holz sammeln, Feuer machen und Würste braten darf, vielleicht sogar einen Felsen erkraxeln oder Wasser stauen. . Zum Glück finden sich in unserer Nähe noch immer solche Orte.
Spektakulär sind die wilden Flusslandschaften von Sense und Schwarzwasser, wo man in Turnschuhen zu den besten Kiesbänken watet. Ein schöner Anmarsch führt durch den Scherligraben (ab Niederscherli). Ohne Auto erreicht man ausserdem die Ausgangspunkte Schwarzwasserbrücke oder Schwarzenburg (dann via Bernaville).
Ueberdies lockt in der Gegend die spannende Ruine Grasburg. Lohnend sind auch die junge Emme (ab Kemmeribodenbad), die Kander (ab Waldhaus im Gasterntal) oder die Zulg (ab Steffisburg).

Schwimmen im See
Wer mehr als planschen will, wandert zu einer Badestelle an einem See, wobei sich für den Rückweg mancherorts eine Schifffahrt anbietet. Am besten eignen sich die Südufer: am Bielersee (ab Nidau oder Täuffelen), am Neuenburgersee (zwischen Cudrefin und Estavayer), am Murtensee (zwischen Faoug und Salavaux), am Thunersee (zwischen Faulensee und Spiez) oder am Brienzersee (zwischen Iseltwald und Giessbach).
Attraktiv sind auch der Burgäschisee (bei Herzogenbuchsee) oder die Moosseen (bei Moosseedorf): der grosse mit Schwimmbad, der kleine mit Vogelbeobachtungsturm. Baden darf man ebenfalls im idyllischen Moorweiher Etang de la Gruère (zwischen Saignelégier und Tramelan). Und faszinierend ist die Tierwelt in Tümpeln wie im Auried (ab Laupen) oder in den Düdinger Mösern.

Sausende Abfahrten
Weniger naturnah, aber für Kinder sehr attraktiv sind Sommerrodelbahnen wie in Oeschinensee-Kandersteg, Pfingstegg-Grindelwald, Rellerli-Schönried, Heimwehfluh-Interlaken oder Sörenberg . Oft gehört ein Gipfelspielplatz dazu.
Oder man mietet ein Trottinett für eine rasante Abfahrt: auf dem Rinderberg oder im Sparenmoos (ab Zweisimmen), auf der Silleren (ab Adelboden), der Riggisalp (ab Schwarzsee), dem Betelberg (ab Lenk), dem Wiriehorn (Diemtigtal) oder den Mittelstationen des Niederhorns (ab Beatenberg) und der Wispile (ab Gstaad). Dafür lassen sich Kinder zum Aufstieg abseits der Gondeln bewegen. Doch sollte man Schwierigkeit und Gefahren (Gegenverkehr) abklären.

Kurzweilige Geschichten
Manches Vergnügen ist dagegen gratis: Als Kind wäre ich mit meinem Vater bis ans Ende der Welt marschiert, weil er dabei einen jeweils im spannendsten Moment unterbrochenen Fortsetzungsroman erzählte.
Man kann auch gemeinsam eine Geschichte erfinden, zu der alle eine Person und einen Gegenstand vorgeben. Wer kein Talent dafür hat, lässt sich von Gedrucktem inspirieren, am besten von lokalen Sagen oder Märchen.
Einfacher macht es einem der berühmte Zwerg Muggestutz: Von Meiringen oder Hasliberg-Reuti fährt man mit der Gondel hoch zur Mägisalp und wandert dann bergab von einem lustigen Posten zur andern. Der Weg ist so beliebt, dass man einen zweiten angelegt hat von der Käserstatt hinunter nach Hasliberg-Wasserwendi. Dazu gibt es drei Bilderbücher, und nach diesem Vorbild Zwergenwege auf der Grimmialp und in Bellwald. Kleine Kinder lieben überdies die Spielwege in Mürren und Grächen

Erfahrungen mit Tieren
Auch einen Murmeliweg gibt es zwischen Käserstatt und Mägisalp. Es fragt sich allerdings, ob man an einem Ausflugssonntag die schreckhaften Tiere zu Gesicht bekommt. Die Bergbahn Lenk-Leiterli behilft sich deshalb mit geschnitzten und ausgestopften Attrappen. Dasselbe gilt für ihren Luchsweg. Echte Munggen lassen sich allenfalls durch das Fernrohr auf der nahen Scheidegg entdecken.
Die beste Chance für Wildbeobachtungen bieten die Jagdbanngebiete: Die Steinböcke am Gemmenalphorn (ab Bergstation Niederhorn) oder zwischen Brienzer Rothorn und Schönbühl versperren einem manchmal sogar den Weg.
Tierliebende Kinder lassen sich auch gerne von Last- und Reittieren begleiten. Einen oder mehrere Tage trecken mit Maultieren oder Eseln kann man im emmentalischen Schwanden, in Lamboing oder Ernen, mit Lamas in Niederscherli, Wilderswil, Fiesch oder Grächen.

Unvergessliche Erlebnisse
Neben all diesen Vorschlägen finden sich im Internet zahllose andere. Damit sollten sich auch marschfaule Kinder locken lassen – wenigstens, bis sie etwa dreizehnjährig sind. In der Pubertät lässt man sie besser in Ruhe. Gut möglich, dass sie später mit ihrem eigenen Nachwuchs auf den Spuren ihrer schönsten Kindheitserlebnisse wandern werden.

In der Holzwerkstatt von Zwerg Muggestutz. (Fotos: mlz)

Noch mehr Ideen:

  • „Bergfloh 1-3, Bergwandern mit Kindern“ von Remo Kundert/ Werner Hochrein (Rotpunktverlag). Anspruchsvoll!
  • „Wanderführer durch 132 Naturschutzgebiete der Schweiz“ von Annette Barkhausen/Franz Geiser (Friedrich Reinhardt Verlag)
  • „Abenteuer mit Kindern (Schweiz)“ von Ralph Bernet (Edition Lan).

 

Marie-Louise Zimmermann
(erschienen im Magazin der Berner Wanderwege vom 10.6.2010)