WIEN

Hier versteht man zu leben

Im-Museumsquartier
Auf der Piazza des Museumsquartiers erholt man sich vom Kunstgenuss.

Die Donaumetropole ist eines der beliebtesten Reiseziele Europas: nicht nur wegen ihrer spektakulären Baudenkmäler und reichen Museen, sondern auch wegen ihrer hohen Lebensqualität. Dazu gehört ganz wesentlich die Gastfreundlichkeit der Kaffeehäuser, Beisel und Heurigenlokale.

Auf der weltweiten Rangliste städtischer Lebensqualität steht Wien an erster Stelle. Kein Wunder, boomt der Tourismus: Jahr für Jahr nehmen die Besucherzahlen zu, und entsprechend gross ist der Andrang zu den berühmten Sehenswürdigkeiten. Doch es gibt nicht nur den Stephansdom, die Hofburg und Schloss Schönbrunn.

Trotz ihrer bald zwei Millionen Einwohner lässt sich die Grossstadt gut zu Fuss, per Tram oder U-Bahn (mit günstiger Wochenkarte) erkunden. Attraktiv sind vor allem die Altstadtgässchen mit ihren begrünten Innenhöfen rund um den Stephansdom. Oder im ehemaligen Rotlichtquartier Spittelberg die chic renovierten Häuserzeilen aus dem Biedermeier und die Schanigärten, wie die Strassencafés hier heissen.

Kultur und Shopping
Bei weiteren Spaziergängen droht Nackenstarre vom Fassadengucken: Da kontrastiert der Prunk der Kaiserzeit mit der Eleganz des Jugendstils und der Strenge frühen funktionalen Bauens. Und überall verweisen Gedenktafeln auf eine reiche musikalische oder literarische Vergangenheit.

Als Alternative locken die Einkaufsparadiese der Kärtner- und der Mariahilf-Strasse. Die über zwanzig bunten Märkte mit ihren vielfältigen Spezialitäten sind am authentischsten in den Vorstädten. Dort finden sich auch die zwischen 1919 und 1934 realisierten Pionierleistungen sozialen Wohnungsbaus.

Kulturfreaks werden Dürers Hasenporträt in der Albertina und Breughels Bauernszenen im Kunsthistorischen Museum aufsuchen. Weniger dicht ist das Gedränge im grosszügigen Museumsquartier: Da gibt es in den ehemaligen kaiserlichen Pferdeställen neun Museen (vorwiegend für moderne Kunst) nebst trendigen Galerien und Cafés. Nachdem man in der Sammlung Leopold eingetaucht ist in die Wiener Kulturszene um 1900, erholt man sich draussen auf einem der bunten Liegemöbel.

Deftige Schlemmerei
An Erquickung fehlt es nicht in dieser ess- und trinkfreudigen Stadt: In den wohnlichen Kaffeehäusern stöbert man bei einem „kleinen Braunen“ oder einer „Mélange“ in den zahlreich aufliegenden Zeitungen, lässt sich von sündhaften Torten verführen und bewundert die Originalkunst an den braun getäferten Wänden.

Gemütlich sind auch die „Beisel“ mit ihren handfesten Gerichten nach Grossmutterart: saftiger Schweinsbraten, knusprige Backhendel und zarter Rindstafelspitz, gefolgt von süssen Palatschinken oder Kaiserschmarren. Allfällige Liniensorgen oder vegetarische Neigungen vergisst man spätestens beim zweiten Glas Grüner Veltliner.

Dieser süffige Weisse gedeiht ganz in der Nähe: Es gibt auf Stadtgebiet gegen hundert Winzer, die ihren jungen Wein, den „Heurigen“ selber ausschenken. Wer die von Touristengruppen heimgesuchten Lokale in Grinzing meidet, kann in Sievering, Stammers- oder Nussdorf einheimische Geselligkeit erleben.

Abstecher ins Burgenland
Gut ist der Wein auch im Burgenland, leicht erreichbar per Bahn. In Mönchhof beim idyllischen Neusiedlersee lohnt sich das Bauernmuseum: ein privat aufgebautes Ballenberg. Seit bald vierzig Jahren sammelt der Maurer Beppo Haubenwallner regionale Wohnkultur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Daraus ist ein ganzes Dorf entstanden mit vollständig eingerichteten alten Bauern- und Handwerksbetrieben, auf ethnologischen Infotafeln nostalgiefrei erklärt: eine eindrückliche Zeitreise!

Abseits der Touristenpfade

Reisen der besonderen Art schlägt Jürg Jegge vor: Als langjähriger Oesterreichkenner und -liebhaber führt er Kleingruppen durch Wien oder durchs Salzkammergut und teilt seine Freunde mit ihnen.

Der bekannte Zürcher Pädagoge und Zytglogge-Autor („Dummheit ist lernbar“) hat seit vierzig Jahren einen Zweitwohnsitz in Wien. Deshalb weiss er mehr über die Stadt als mancher Einheimische: über ihre geheimen Altstadtidyllen und pulsierenden Quartiere, die historischen Reminiszenzen und skurrilen Geschichten. Er kennt die schönsten Kaffeehäuser und gemütlichsten Beisel, die authentischen Heurigenlokale und Märkte, dazu viel Kurioses und Ueberraschendes.

Vor allem teilt er seinen interessanten Freundeskreis: Man begegnet der ältesten Stadtführerin, der Besitzerin einer Glückschweinsammlung und dem Gründer des Bauernmuseums. Beim Wein plaudert man mit den witzigen Sängern von Heurigenliedern oder in der Kantine des Burgtheaters mit Schauspielern, die man vorher auf der Bühne bewundert hat.

Statt im Touristenghetto ist man in einer Mietwohnung in einem zentrumsnahen Arbeiterquartier untergebracht So bekommt man etwas vom Alltagsleben mit und lernt das öffentliche Verkehrsnetz nutzen.

Originelle Themen
Genussfreudigen empfiehlt sich die kulinarische Reise, bei der man die ganze Breite des Angebots durchkostet: von den sechs Wurstsorten im Stammlokal der Kehrichtmänner bis zum Sechsgänger im Gourmettempel „Steirereck“ mit 19 Gault-Millau-Punkten. Beim bekannten Gastwirt Weidinger lernt man sogar, selber das perfekte Wiener Schnitzel zu braten. Daneben bleibt viel Zeit für geführte oder eigene Stadterkundungen und einen Ausflug ins Burgenland.

Ungewöhnlich sind auch Jegges andere Reisen: „Das rote Wien“ zum sozialen Wohnungsbau oder „Das morbide Wien“ rund um den Zentralfriedhof. Und im Salzkammergut ist man Gast bei den traditionellen Weihnachts- und Neujahrsbräuchen.

Dank einfacher Unterkunft und Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind die fünf- bis sechstägigen Reisen in Kleingruppen erstaunlich preisgünstig. Ab einem halben Dutzend Teilnehmenden kann man sie auch zu andern Daten buchen. Anreise per Bahn oder Flugzeug.

Schnitzel-braten
Beim berühmten Gastwirt Weidinger lernt man, das perfekte Wiener Schnitzel zu braten. (Fotos: mlz)

Nächste Gruppenreisen

22.-27.9.
Kulinarische Höhepunkte – Wien hab ich zum Fressen gern (noch Plätze frei)

6.- 11.10
Salzkammergut – Tradition und Widerborstigkeit

2.-7.1.2015
Traunsee – Glöcklerlauf und Krippenreise

27.4.-2.5.
Salzburg – einmal anders

Detailinformation bei www.oesterreisen.ch

Marie-Louise Zimmermann
(erschienen in der Berner Zeitung vom 4.9.2014)