YUKON/ALASKA

In die grosse wilde Weite


Einsamer Camp Ground an einem der unzähligen Seen Alaskas

Der wilde Nordwesten Amerikas bietet ein grandioses Naturerlebnis: Unterwegs im bequemen Wohnmobil, auf idyllischen Camp Grounds und Wanderwegen begegnet man einer Vielfalt unberührter Landschaften, einer reichen Tier- und Pflanzenwelt, einer faszinierenden Kulturgeschichte und freundlichen Menschen.

„Top of the World“ heisst dieser Highway zu Recht: Unter einem grossen Wolkenhimmel reihen sich die bewaldeten Bergketten bis an den blauen Horizont. Von Menschen zeugt nur das Grenzhäuschen, wo uns ein freundlicher Uniformierter in den USA willkommen heisst.

Unterwegs im Camper
Begonnen hat unsere Traumreise im kanadischen Whitehorse, wo die Campermiete günstig ist. Denn am schönsten erfährt man die weite Naturlandschaft Nordwestamerikas im Wohnmobil. Andere Unterkünfte sind rar und oft unattraktiv, die „State Camp Grounds“ dagegen wunderbar: Idyllisch gelegen und naturnah eingerichtet mit locker verteilten Ausstellplätzen samt Holztisch, -bank und Feuerstelle. Oft hat man Eichhörnchen als einzige Nachbarn, und auch in der Hochsaison fühlt man sich nie eingeengt.

Wir haben zu zweit einen Camper für drei gemietet und sind froh über die Bewegungsfreiheit. Er scheint uns riesig und ist doch ein Zwerg unter den Riesenvehikeln, in denen Pensionierte hier monatelang reisen. Zum Glück sind die Hauptverkehrsachsen gut ausgebaut.
Das sommerliche Klima gleicht dem unserer Alpen auf etwa 2’000 m Höhe, wechselnd zwischen intensiver Sonne im Innern des Landes und Regenwolken am Meer. Im Zelt würden wir wohl gelegentlich frieren und mancherorts von Mücken geplagt werden.

Im Yukon Territory
Gleich hinter Whitehorse mit dem Flair einer Frontier Town beginnen die menschenleeren Wälder am Yukon. Wir befahren den frei fliessenden, mächtigen Strom im Motorboot eines bärtigen Trappers, lassen uns den Horst eines Weisskopfseeadlers und eine Biberburg, ein altes Fort und einen Indianerfriedhof zeigen. Und wir besuchen einen Hundezüchter, der einmal das härteste Schlittenhunderennen, den legendären „Idarot Trail“ gewonnen hat.

Den Spuren der Goldgräber folgt auch der „Klondike Highway“ nach Norden.
Wir fahren lange an diesem endlos hellen nordischen Tag, übernachten auf einem nach Harz duftenden Camp Ground am Bach und sehen in der Morgenfrühe unsern ersten Elch, der uns nicht beachtet.
Goldgräber und Ranger
Mehr Betrieb herrscht in Dawson City, der einstigen Hochburg der Goldgräber, von deren hartem Leben ein kurzweiliges Museum und eine alte Mine zeugen. Doch uns zieht es in die riesigen Naturschutzgebiete der National und State Parks mit ihren spektakulären Gipfeln und nahen Gletschern, Wildflüssen und Blumenwiesen.

In den Visitors’ Centers gibt es Informationen über die „Trails“. Doch das sind keine Schweizer Wanderwege, wie wir bald merken: Oft verliert sich die Spur im Gebüsch, Sumpf oder Geröll, und wir erinnern uns mulmig an Bärenwarnungen. Dann schliessen wir uns gerne einer Rangerführung an und lernen dabei viel über Flora und Fauna.

Paradies der Fischer
Zielpunkt am Meer ist die kleine Hafenstadt Valdez, von trauriger Berühmtheit wegen der Oeltankerkatastrophe von 1989. Seither hat sich die reiche Tierwelt der Meeresküste erfreulich gut erholt. Und in einem ungewöhnlichen Naturmuseum, finanziert mit Sühnegeld, kann man durch die Scheiben Robben und Vögel beim Tauchen in tiefe Meerbecken beobachten.

Unterwegs mit der Autofähre durchs Insellabyrinth nach Whittier dann bewundern wir kalbende Gletscher, spielende Delfine und die Fontänen vorbeiziehender Buckelwale. Und in Homer trösten wir uns über das Nieselwetter mit den Meerottern, die vor unserem am Strand geparkten Camper vorbei schwimmen mit ihren Jungen auf dem Bauch.

Wir bestaunen die riesigen gefangenen Halibuts in diesem Anglermekka und später auf der Kenai Halbinsel die Lachsschwärme, die flussaufwärts über die Stromschnellen springen, zwischen dichten Reihen von Fischern hindurch.

Von deren reichlichem Fang bekommen wir eine grosszügige Portion für unseren Grill geschenkt. Ueberhaupt treffen wir viele ausgesprochen freundliche Menschen; in einer so dünn besiedelten Gegend scheint ein Gespräch immer willkommen. Und sämtliche Männer auf einem Camp Ground beheben gemeinsam eine Panne unserer Heizung. Ueber Politik muss man in Heimatstaat der Sarah Palin ja nicht unbedingt diskutieren…
Alte Kulturen
Faszinierend sind auch die Spuren anderer Kulturen: In Nilchik überrascht uns eine russisch-orthodoxe Kirche. Und in Anchorage zeigt ein grosses Freilichtmuseum die Bau- und Handwerkskunst, die Rituale und Sportwettkämpfe der „First Nations“, wie die Indianer und Inuits heute politisch korrekt genannt werden.

Offensichtlich bemüht man sich jetzt, die lange Missachtung und Vernachlässigung der ursprünglichen Kulturen gut zu machen. Das gilt auch für das Museum der modernen Universität in Fairbanks, wo die Erzeugnisse der indigenen Völker gleichwertig mit westlichen Kunstwerken ausgestellt sind.

Höhepunkt Denali
Noch wartet ein Höhepunkt unserer Reise. Doch vor den Menschenmassen im Visitors’ Center des Denali Parks erwägen wir die Flucht. Zum Glück warten wir trotzdem, bis am nächsten Tag Plätze frei werden im Shuttle Bus des autofreien Schutzgebiets. Denn nun zeigt sich der höchste Gipfel Nordamerikas, der Mount MacKinley (Denali auf indianisch), in seiner ganzen weissen Majestät.

Wir lassen uns unterwegs absetzen und wandern einsam neben der Strasse über die Tundra, entdecken eine Gruppe wilder Dallschafe und ein paar versprengte Karibus. Doch da fährt uns ein Parkhüter nach, um uns vor einer nahen Grizzlimutter mit Jungen zu warnen. So betrachten wir denn die Bärenfamilie beim Beerenpflücken durch sichere Autoscheiben, wie auch später ein Wolfsrudel mit spielenden Jungen am Flussufer.

Ein Erlebnis bleibt es trotzdem, und es macht süchtig. Wir freuen uns auf die Rückfahrt nach Whitehorse über den nicht weniger attraktiven Alaska Highway. Und dann gäbe es da noch den Dempster Highway, der bis ans Eismeer führt ….


Orthodoxer Friedhof auf der Kenai-Halbinsel. (Fotos: Simone Bangerter)

Tipps und Infos
Reisezeit: Mitte Juni-September. Im Sommer lange Tage mit angenehmen Temperaturen aber mehr Touristen und Mücken; im Herbst Farbenpracht aber frostige Nächte.
Flug: Günstige Condor Charters nach Whitehorse oder Fairbanks (direkt ab Frankfurt).
Campermiete: Empfehlenswert sind z.B. Fraserway in Whitehorse oder GoNorth in Fairbanks.
Unsere Route: Whitehorse-Klondike Hwy-Dawson City-Top of the World Hwy.-Glenallen Hwy.-Wrangell Park –Valdez –Fähre Whittier (sehr früh reservieren!)–Seward – Homer –Kenai -Anchorage – Denali (Parkbus vorreservieren) – Fairbanks –Alaska Hwy.- Whitehorse (4’000 km, min.4 Wochen).
Wandern: Unzählige, oft mehrtägige Routen mit Übernachtung im Zelt oder in (vorreservierten) Cabins. Aber: Wildnis ist anspruchsvoll! Für Greenhorns empfehlen sich die markierten, oft auch geführten Tageswanderungen der Visitors’ Centers,( z.B. Cooper, Kenai, Wynn, Eagle River, Denali). Kürzere Rundwanderungen auch ab allen Highways und vielen Camp Grounds.
Führer: Lonely Planet: Alaska; Michael Rudert: Reiseführer Natur Alaska (BLV); Dean Littlepage: Falcon Guide Hiking Alaska (bestellbar bei Amazon).

Marie-Louise Zimmermann
(Erschienen in der Revue der Berner Wanderwege 2/2010)