Einen satirischen Blick auf die glamouröse Welt des Kunsthandels, einen spannenden Thriller und eine berührende Beziehungsgeschichte – all das bietet der Roman «Die Launenhaftigkeit der Liebe», Debut der britischen Autorin Hannah Rothschild: die perfekte Lektüre für allfällige Herbstferien.
Schnäppchenjäger hoffen, für wenig Geld etwas Kostbares zu erwerben. Dieser seltene Glücksfall wird zum folgenschweren Unglück für Annie, die bei einem Londoner Trödler als Geschenk ein kleines Oelbild kauft. Unter dem Titel «L’improbabilité de l’amour» (was eigentlich «Die Unwahrscheinlichkeit der Liebe» heisst), zeigt es einen verliebten Jüngling, eine hochmütige Tänzerin und einen melancholischen Clown.
Bedrohliches Geheimnis
Eigentlich interessiert sich die Käuferin nicht für Kunst: Verlassen von ihrem Partner und bedrängt von ihrer alkoholkranken Mutter, träumt sie von einer Arbeit, bei der sie ihr Kochtalent nutzen kann. Die findet sie ausgerechnet bei dem prominenten Kunstauktionator Winkelmann und seiner Tochter; denn dieser jüdischen Familie gehörte einst dieses frühe Meisterwerk des französischen Rokokomalers Jean-Antoine Watteau.
Durch die dubiose Herkunft des Gemäldes im Zweiten Weltkrieg sehen sich die stolzen Winkelmanns in ihrer Existenz bedroht, was sie brutal zu verhindern suchen. Menschen sterben und Annie überlebt nur, weil sie unter Mordanklage im Gefängnis sitzt. In letzter Minute kann ihr Künstlerfreund ihre Unschuld beweisen, worauf sie sich endlich auf seine Liebe einlässt. Und das ominöse Bild findet in einer dramatischen Auktion einen neuen Besitzer. Mehr zu verraten würde die Spannung verderben.
Realer Hintergrund
Hannah Rothschild (53) aus der berühmten Bankiersfamilie kennt als Stiftungsratspräsidentin des British National Museums genau, was sie beschreibt: Die Arbeit der Provenienzforscher und Restauratorinnen, aber auch das Künstlerleben zur Zeit Ludwigs XIV und das Schicksal berühmter Werke, über das sie das besagte Gemälde selber berichten lässt. Man glaubt es vor sich zu sehen – obwohl sie es zugegebenermassen erfunden hat. «In Erinnerung an Watteaus Porträt des traurigen Pierrots im Louvre, das mich als Studentin tief berührt hat», erklärt sie.
Zwanzig Jahre hat sie neben ihrer Arbeit als Kunstsachverständige und Dokumentarfilmerin an ihrem ersten Roman geschrieben, angeregt durch absurd hohe Auktionspreise. «Es geht nicht mehr um aesthetische oder historische Werte, sondern nur noch um Geld und Prestige», ärgert sie sich.
Und giesst ihren Spott über die Superreichen, die sich um prestigeträchtige Kunst balgen: die amerikanische Witwe, den russischen Oligarchen, das Scheichpaar aus einem Oelstaat samt dem cleveren Profiteur und dem überforderten Museumsdirektor. Sympathischer ist die junge Köchin, deren Glück darin besteht «aus drei bekannten Zutaten eine neue Köstlichkeit zu kreiieren.»
Die drei Zutaten von Hannah Rothschilds Roman – die Kunst-, Detektiv- und Liebesgeschichte – haben bereits das englischsprachige Lesepublikum glücklich gemacht.
Marie-Louise Zimmermann
(erschienen in der Berner Zeitung vom 7.10.2016
und im Aargauer Tagblatt)