(deutsch) SCHWARZWALD

(deutsch) Der Schwarzwald ist bunt

Wer mit dem Schwarzwald nur Kuckucksuhren und Kirschtorten, eine TV-Klinik oder Carausflüge assoziiert, denkt zu kurz: Das schweiznahe Gebiet ist ein ganzjähriges Wanderparadies mit reichem Kulturerbe.

Das ist kein Nebelmeer, das ist ein weisser Ozean, der da über der süddeutschen Rheinebene liegt. Am fernen Horizont leuchten im herbstklaren Blau die Alpen vom Säntis bis zum Mont Blanc, sogar die heimatlichen Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau lassen sich ausmachen. Im Westen reicht der Blick bis an die Vogesen, im Osten an das Massiv des Feldbergs. Wie Inseln ragen die nahen Bergrücken aus der Watte: ein buntes Patchwork aus dem Dunkelgrün der Fichten, dem Kupfer der Buchen, dem Gold des Ahorns. Der Schwarzwald ist überhaupt nicht schwarz!
Diese im Wortsinn atemberaubende Aussicht ist die Belohnung für die tausend bewältigten Höhenmeter auf den Belchen (1400 m). Der berühmteste Ausflugsberg der Gegend ist so beliebt, dass man ihn für Autos sperren musste, um ihn vor totaler Naturzerstörung zu bewahren. Wer den langen Aufstieg scheut, kann sich von einer Seilbahn in die Nähe des Gipfels tragen lassen und diesen auf bequemem Weg umrunden – allerdings besser nicht an einem schönen Sonntag.

Idyllisches Münstertal
Wenig überlaufen sind dagegen die meisten der über 30’000 markierten Wegen in diesem ältesten Wandergebiet Deutschlands. Ehrgeizige können es auf drei Fernrouten durchqueren, am attraktivsten auf dem Westweg mit den Höhepunkten Feldberg und Belchen. Abschreckend wirken nur die bekannten Ausflugsziele wie der Titisee, wo sich ganz Japan mit Kuckucksuhren einzudecken scheint.
Zu empfehlen ist dagegen das Münstertal zwischen Belchen und Schauinsland, blosse drei Zugs- oder zwei Autostunden von Bern entfernt. Da fliesst ein munterer Bach durch Auenwald und Heuwiesen, und an den Steilhängen kleben alte Bauernhäuser mit tief gezogenem Walmdach, sorgfältig in Stand gehalten und mit Blumen geschmückt. Münstertal heisst auch das lang gezogene Dorf, das sich dem sanften Tourismus verschrieben hat.

Bäuerliche Kultur
Die Einheimischen hängen an ihrer Tradition: Beim Volksfest zum Viehabtrieb (wie der herbstliche Umzug der geschmückten Kühe hier heisst) tragen viele Tracht, und die Bauern sind offensichtlich stolz auf die alte Hinterwälder Rinderrasse. Doch der Bürgermeister redet von den Existenzproblemen der Berggegend im Euroland. Manche Höfe haben auf Ziegen umgestellt, die wegen ihrer Beihilfe zur Landschaftspflege subventioniert werden.
Trotz spürbarem Lokalpatriotismus empfängt man die Fremden gastfreundlich und verwöhnt sie mit heimischen Produkten: dem berühmten Rauchschinken, mancherlei Käse, Biogemüse und im Herbst mit Wild und Pilzen. Dazu gibt es den süffigen Wein der nahen Badener Rebberge, danach einen fruchtigen Eigenbrand.

Winterliche Freuden
Ueberflüssige Kalorien wird man beim Wandern wieder los: nicht nur im farbigen Herbstlaub, sondern auch im stillen Winterwald. Denn unten im Tal bleiben die Wege lange schneefrei, weiter oben werden viele davon gewalzt. Ueberdies gibt es zahlreiche Möglichkeiten für Schneeschuh- oder Skiwanderer – auch auf dem oft von der Sonne verwöhnten Belchen mit ganzjährigem Bahnbetrieb.
Bei Wetterpech flüchtet man in das Silberbergwerk, das Bienen- oder Bauernhausmuseum, die Barockkirche von St. Trudpert im schönen Klostergarten. Das hübsche Städtchen Staufen lockt mit seiner Burgruine, dem Mephistohaus und Kulturwochen, das etwas weiter entfernte Bad Krozingen mit Thermalwasser und Kurbetrieb.
Nicht verpassen sollte man die Schwarzwald-Metropole Freiburg i.Br. mit ihrer lebendigen Altstadt und dem grossartigen Münster, dessen Steinfiguren und Glasfenster im neu renovierten Augustinermuseum zu bewundern sind. Und vom Hausberg Schauinsland kann man noch einmal den Blick schweifen lassen über das bunte Baummeer des Schwarzwalds.
Marie-Louise Zimmermann

(erschienen in der Berner Zeitung vom 5.11.2010)