ALTMÜHLTAL

Für Naturbegeisterte und Kulturinteressierte

np-altmuehltal1
Schroffe Kalkfelsen rahmen ein idyllisches Tal.

Das bayrische Altmühltal, Deutschlands drittgrösster Naturpark, ist hierzulande ein Geheimtipp: für alle, die gern wandern, Velo oder Kanu fahren und sich für Botanik oder Versteinerungen, Kelten und Römer, Ritterburgen oder Barockbauten interessieren. Ideal für eine Familienreise!

Zwischen einzelnen baumhohen Wachholderbüschen zieht sich der sonnenwarme Pfad dem Hang entlang. Mancherlei Schmetterlinge gaukeln über den bunten Magerwiesen, Heuschrecken spreizen beim Weghüpfen ihre farbigen Flügel. Auf einer Kalksteinplatte sonnt sich eine smaragdene Zauneidechse, und in einem Schlehdornbusch hat ein nistender Neuntöter Insekten an Dornen aufgespiesst. Es duftet nach Thymian, Wildrosen, Kiefernharz.

Dann taucht der Weg in den Schatten eines Buchenwaldes, wo weisse Waldvöglein blühen, eine recht seltene Orchideenart. Und plötzlich öffnet sich der Blick auf bizarr erodierte Felstürme, hoch emporragend über die Baumwipfel am Hang.
Unten im grünen Tal schlängelt sich die Altmühl zwischen kleinen Ortschaften. (Das Flüsschen hat seinen Namen nicht von Mühlen, die es kaum antreiben könnte, sondern von „alcmona“, dem keltischen Wort für „langsam“.)

Familien schätzen diese gefahrlose Kanustrecke. Und zurecht beliebt ist die fast verkehrs- und steigungsfreie Veloroute am Ufer. Doch am intensivsten erlebt man die Natur zu Fuss auf dem Panoramaweg, der abwechselnd über die beiden Höhenzüge durch das Altmühltal führt .

Vielerlei Naturerlebnisse

Jahrhunderte lang als Schafweide genutzt, hat sich auf diesen trockenen Kalkböden eine südlich anmutende Heidelandschaft entwickelt, die seit fast einem halben Jahrhundert geschützt und gepflegt wir. Das Naturparkzentrum in Eichstätt informiert in einer gut gemachten Ausstellung über seltene Pflanzen, Insekten, Vögel und Reptilien sowie über die reiche Kulturgeschichte der Gegend.

Berühmt ist das Gebiet auch für seinen Reichtum an Fossilien. Das modern gestaltete Museum von Solnhofen zeigt eine Vielfalt von Millionen Jahre altem, versteinertem Meergetier und als Rarität den hier gefundenen Urvogel. Eindrücklich und gut verständlich präsentiert, fasziniert dieser „Paläozoo“ auch Kinder. Noch lieber aber hämmern sie selber in einem der Publikumssteinbrüche, wo man Anleitung und Werkzeug bekommt.

Inszenierte Antike

Interessieren lassen sie sich auch für die Zeugnisse alter Kulturen: Durch das Altmühltal führte der Limes, der grosse Verteidigungswall der Römer. Seiner Spur folgend, findet man Reste von Kastellen, Wachttürmen, Gutshöfen oder Thermen und ein Dutzend Ausstellungsorte.
Besonders familiengerecht präsentiert sich das römisch-bajuwarische Museum auf Burg Kipfenberg, wo das Grab eines germanischen Kriegers in römischen Diensten und eine Turmwachtstube inszeniert wurden. Hier darf man Helme und Waffen testen oder sich sogar ein Wochenende lang in antike Zeiten zurück versetzen lassen.

An die Urbevölkeru ng erinnert das Keltendorf Alcmona bei Dietfurt, eine von 18 Stationen des Archäologieparks Altmühltal. Und auf einem keltischen Schutzwall wandert man von Essing durch den Wald an die Donau, wo einem eine Fähre zum Kloster Weltenburg übersetzt. Nachdem man die Barockkirche bewundert und im Biergarten das klostereigene Gebräu probiert hat, fährt man auf einem Ausflugsschiff zwischen den Felswänden des Donaudurchbruchs nach Kelheim.

Bischöfliche Barockpracht

Ein Architekturjuwel ist der Haupt- und Universitätsort Eichstätt, der mit bloss 13‘000 Einwohnern erstaunlich städtisch wirkt. Die hier residierenden Fürstbischöfe verewigten sich in wahrhaft fürstlichen Bauten: Ihr Palais mit prunkvollem Treppenhaus und Spiegelsaal grenzt an einen der schönsten Barockpätze Deutschlands, die Sommerresidenz im Park wurde aufwendig renoviert.
Im spätgotischen Dom bewundert man den Kreuzgang, den aus einem Kalksteinblock ziselierten Figurenaltar und eine liebliche Holzmadonna. Dann steigt man hoch zur Willibaldsburg mit ihrem Bastionsgarten, der einem Botanikbuch des 17. Jahrhunderts nachgebildet ist.

Kulinarische Freuden

Nach so ausgiebigem Kulturgenuss ist man froh, dass in Bayern niemand hungern und dürsten muss: Gemütliche Gaststätten mit Schattengärten servieren deftigen Schweinebraten mit Knödeln, Spätzle oder Schupfnudeln, aber auch Delikates wie einheimischen Spargel, Lamm oder Fisch.
Und eine freundliche Kellnerin erklärt, dass „Obazda“ Käseaufstrich und „Reibedatschi“ Kartoffelküchlein bedeuten. Dazu gibt‘s das würzige Bier gleich halbliterweise. Die Rechnung am Schluss ist eine freudige Ueberraschung: der starke Franken hat auch Vorteile.

Altmühltal2
Barockkirche hoch über dem Kanufluss. (Fotos:zvg)

Infos und Tipps:
Anfahrt:  Zug München – Ingoldstadt –Eichstätt – Treuchtlingen; Freizeitbus (mit Veloanhänger).
Routen: Altmühltal-Panoramaweg (zertifizierter Qualitätswanderweg) von Gunzenhausen nach Kelheim (200 km), mit 16 eintägigen Schlaufenwegen: fast durchwegs auf Naturwegen ohne lange Steigungen, gut gepflegt und markiert.
Limesweg (Unesco Welterbe) von Gunzenhausen nach Bad Gögging (115 km).
Radweg von Gunzenhausen nach Kelheim (167 km), auch Routen für Mountain- oder E-Bikes.
Miet- und Reparaturstationen.
Kanustrecke (154 km) mit Miete und Uebernachtungsmöglichkeiten am Ufer.

Ausstellungen (Auswahl): Fossilienmuseum Solnhofen, Römer-Bajuwarenmuseum Burg Kipfenberg: Apr.-Okt. täglich. Keltendorf Alcmona frei zugänglich.

Publikumssteinbrüche: Mühlheim (reichhaltig), Blumberg bei Eichstätt (familienfreundlich)

Unterkunft: preisgünstige Gasthöfe in vielen Städtchen, grösste Auswahl in Beilngries.

Führer: Hikeline Wanderführer Altmühltal; Rother Wanderführer Altmühltal.

Info: www.naturpark-altmuehltal.de; Informationszentrum in Eichstätt, Tel. 0049 8421 98 76-0, versendet Uebersichtskarte und nützliche Prospekte.

Marie-Louise Zimmermann
(erschienen in der Berner Zeitung vom 1.9.2015)