Blick auf die Alhambra von Granada
Schöne Landschaften, kulturreiche Städte und ein geselliger Lebensstil: Das alles macht Südspanien zu einem Reiseparadies. Allerdings nur ausserhalb der Touristensaison.
Wer aus dem Norden kommt, staunt immer wieder über die Schönheit der Orangenbäume im Frühling. Im sattgrünen Laub leuchten die goldenen Kugeln der reifen Früchte, und zugleich verströmen die weissen Blütensternchen einen betörenden Duft. Vielerorts in Sevilla kann man ihn ungestört geniessen, denn der alte Stadtkern ist zumindest teilweise verkehrsfrei.
Autos haben keinen Platz
Die schicken Einkaufsstrassen in der Altstadt bilden eine Fussgängerzone. Und auf der breiten Avenida, die vom Rathaus entlang der mächtigen Kathedrale zu den Gärten des Alcazar führt, rollen neben einer modernen Strassenbahn nur die neu eingeführten Mietvelos. Überdies rühmt sich die Millionenstadt nach jahrzehntelanger Planung seit Ende März ihrer ersten Untergrundbahn.
All dies ist nicht ganz freiwillig geschehen, lieben doch die Spanier ihr Auto innig. Doch die Unesco hat gedroht, der Stadt ihr Label zu entziehen, wenn sie nicht etwas gegen die Abgaszerstörung ihres Kulturerbes unternehme. Das wäre ein allzu empfindlicher Schlag gegen den Tourismus gewesen, von dem Sevilla vorwiegend lebt.
Zwar gibt es am Südufer des Quadalquivir ein Technologiezentrum und weitere moderne Grossbauten; doch das Gelände der Weltausstellung von 1992, einst eine Zukunftshoffnung, wirkt verwaist. Junge Einheimische beklagen die mangelnde Entwicklung der Metropole, die trotz der dominierenden Linkspartei sehr konservativ denke. So dürfe ungeachtet des grossen Renovationsbedarfs an ihrer historischen Substanz kaum etwas verändert werden. Wer von aussen kommt, ist allerdings froh über das Fehlen des sonstwo in Spanien grassierenden Betons.
Touristen stehen lange an
Ähnliches gilt für die beiden andern berühmten Städte Andalusiens, für Cordoba und vor allem für Granada. Hier steht das ganze Quartier Albazyn, das ehemalige Mauren- und Judenviertel, als Weltkulturerbe unter Schutz. Steil ziehen sich die gepflästerten Gässchen zwischen den edlen Fassaden und den terrassierten Gärten den Berg hinauf und geben schliesslich den Blick frei auf die imposante Silhouette der Alhambra.
Der weitläufige Hügelpalast mit seinen blumenreichen Gartenanlagen ist ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, Erbe von sieben Jahrhunderten maurischer Herrschaft. Da schmücken raffinierte Ornamente in Stuck, Holz oder Keramik die eleganten Räume, und zierliche Säulenreihen spiegeln sich in den Wasserbecken der Innenhöfe. Doch leider überschwemmt der Massentourismus dieses Architekturwunder: Wer den Eintritt nicht lange vorher gebucht hat oder willens ist, frühmorgens und oft stundenlang anzustehen, muss draussen bleiben.
Leichter gelingt der Zugang zum ebenfalls sehr schönen Alcazar-Palast in Sevilla oder in die Mesquita von Cordoba. Diese ehemalige Moschee wirkt mit der Vielzahl ihrer Säulen und Bögen wie ein Stein gewordener Palmengarten. Doch haben leider die christlichen Rückeroberer bei der Umwandlung in eine Kathedrale die Harmonie zerstört mit einem protzigen Hochaltar. Überall in Andalusien finden sich solche Spuren vom Zusammenprall der Kulturen.
Büsser ziehen durch Gassen
Manche der reich verzierten Barockkirchen sind ebenfalls sehenswert. Spanien ist ein sehr katholisch geprägtes Land, auch wenn heute nur eine kleine Minderheit die Religion praktiziert und das fortschrittliche Zivilgesetz den Vorstellungen des Vatikans deutlich widerspricht. In der Osterwoche aber erlebt man eine eindrückliche Demonstration von Volksfrömmigkeit: An mehreren Tagen werden in stundenlangen Prozessionen lebensgrosse biblische Figurenszenen und blumengeschmückte Madonnen durch die Strassen geschleppt, begleitet von Hunderten in Büsserkapuzen und bewundert von Tausenden von Zuschauern. Da gibts in den Innenstädten oft kein Durchkommen mehr, und Hotelbetten sind rar.
Ähnliches gilt für die Monate Mai und September, wenn Touristen die Gassen verstopfen und sich vor Sehenswürdigkeiten lange Schlangen bilden. Deshalb reist man besser ausserhalb der Hochsaison in diese allzu beliebte Gegend. Das milde Klima erlaubt es meistens trotzdem, im Freien zu sitzen, wo das Leben stattfindet.
Obwohl jedermann über die Krise spricht und sich Sorgen macht über die hohe Arbeitslosigkeit, sind die Bars und Restaurants immer voll. Plaudernd sitzt man da in grossen Runden bei einem Glas und überbrückt die Zeit bis zu den späten Mahlzeiten mit Tapas. So mischt sich der Geruch frittierter Häppchen mit dem allgegenwärtigen Duft der Orangenblüten.
Karwochen-Prozession in Sevilla. (Fotos: mlz)
Tipps und Infos
Beste Reisezeit: Angenehmstes Klima April-Mai oder Sept.- Mitte Okt. Dann aber sehr überlaufen, besonders in der Karwoche. Empfehlswerter ist Mitte März und ab Mitte Okt., trotz unsicherem Wetter. Juni-August sehr heiss.
Transport: Swiss, Iberia und Easyjet haben Flüge nach Malaga, Helvetic und Air Berlin nach Jerez, Iberia nach Sevilla mit Umsteigen in Madrid. Überall in Andalusien gute Eisenbahn- und Busverbindungen.
Unterkunft: grosses Angebot von feudalen Paladares bis günstigen Hostales. Gute Backpacker-Hostels in Granada und Sevilla.
Eintritt Alhambra: Reservation unter www.alhambra-patronato.es, telefonisch unter +34 902 224460 oder via Reisebüro.
Infos: Spanisches Tourismusbüro Genf (auch in deutsch): www.spain.info oder Tel. 022 7311133.
Marie-Louise Zimmermann
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 1.5.2009)