Fischmarkt in Ziguinchor
Keinen Safaritourismus, dafür faszinierende Einblicke in einen fremden, bunten Alltag bietet eine Reise in die Casamance – die schönste Landschaft im westafrikanischen Senegal.
Die Provinzhauptstadt Ziguinchor wirkt mit ihren 200000 Einwohnern eher wie ein riesiges Dorf: Um die schimmelnden Betonbauten des Zentrums breiten sich Sandstrassen mit Strohdachhäusern und Wellblechschuppen unter riesigen Mangobäumen, in denen Webervögel lärmen.
Frühmorgens scheint hier alles schon wach zu sein: Frauen kehren gebückt mit kurzstieligen Besen vor ihrer Hütte. Es riecht nach Holzrauch und Jasmin, nach Hirsebrei und Baguettes, nach der offenen Kanalisation und den Abfallhaufen, in denen magere Schafe und Ziegen, Schweine und Hühner herumstöbern. Scharen sauber geschrubbter Kinder mit adretten Zöpfchen und in pastellfarbenen Schürzen brechen auf zur Schule. Zugleich beginnen zerlumpte Buben ihre Betteltour, meist im Auftrag eines muslimischen Geistlichen.
Dichtes Gedränge herrscht auf dem grossen Zentralmarkt mit seinem vielfältigen Angebot. Gemüse ist allerdings rar in der Trockenzeit, sodass sich neben Häufchen von Tomaten oder Karotten Säcke mit holländischen Zwiebeln stapeln. Auch Geld scheint knapp, Zucker oder Teigwaren werden in kleinen Tagesportionen verkauft. Geheimnisvoll wirken die Stände mit einheimischen Heil- und Zaubermitteln.
Einfache Verständigung
Auf dem Warenmarkt findet sich neben Plastikartikeln aus China auch schönes Handwerk: Schüsseln aus Kürbisschalen, fein geflochtene Körbe und Matten oder Küchengerät aus Altmetall. Verlockend sind die farbenfrohen Stoffe, aus denen geschickte Schneider in kurzer Zeit alles Gewünschte anfertigen. Dasselbe gilt für die Silberschmiede oder die Lederhandwerker.
Verständigung ist kein Problem, da die einstigen Kolonialherren ihre französischen Schulen hinterlassen haben. So wird alles geduldig erklärt mit einer Freundlichkeit, die einen beschämt beim Gedanken an die fremdenfeindlichen Reaktionen in Europa – bedroht fühlt man sich nirgends.
Pulsierendes Leben
Dasselbe gilt auch für den attraktiven Fischmarkt am Flussufer. Hier kaufen Händlerinnen frühmorgens den Männern ihren nächtlichen Fang ab und tragen ihn in grossen Schüsseln auf dem Kopf davon, königlich schreitend in ihren bunten Gewändern und mit elegant geknoteten Kopftüchern. Daneben lenken hoch gewachsene junge Männer lässig ihre Eselkarren. Und unter den Kokospalmen klopfen Frauen die Muscheln auf, die sie in den Mangroven gesammelt haben.
Stundenlang erklingen auch die Holzhämmer auf den Bootswerften. Hier entstehen die Pirogen, die schmalen, dekorativ bemalten Langboote, mit denen die Fischer bis aufs hundert Kilometer entfernte Meer fahren. Doch sie fangen viel weniger, seit die Regierung die Fischereirechte an ausländische Trawler verhökert hat.
Vergessene Traumstrände
Eine Chance bedeuten deshalb die Touristen, die seit dem Ende der Rebellenunruhen vor fünf Jahren wieder kommen. Denn am Cap Sirring gibt es die schönsten Strände Westafrikas, mit Kilometern von mehlfeinem weissem Sand und flachwelligem, lauwarmem Wasser. In der dichten Ufervegetation verstecken sich ein paar Bungalowhotels, deren Standard vergessen lässt, dass man sich in einem armen Land befindet.
Günstigere Unterkunft findet man in kleinen Familienpensionen, «campement» genannt. Allerdings muss man sich da manchmal den Strand mit Kühen teilen. Und mit jungen Männern, die all ihre Zukunftshoffnungen auf eine weisse Frau richten, egal welchen Alters. Wirklich belästigt wird man aber nicht, und im benachbarten Fischerdorf darf man den Booten unbehelligt bei der Ankunft zusehen.
Selber mitfahren in einer Motorpiroge kann man auf einem Ausflug in die Bolongs, das ausgedehnte Labyrinth aus Flussarmen und Mangrovenwäldern mit seinen vielen Vögeln: rosa Flamingos, grossen Schlangenhalstauchern und pfeilschnell jagenden Seeschwalben.
Herzliche Begegnungen
Es lohnt sich auch, mit einem gemieteten Auto oder Fahrrad durch die Reisfelder zu fahren und in einem Dorf Halt zu machen. Hier staunt man, mit welch einfachen Mitteln sich ein schönes Haus bauen lässt: mit Lehm für die Wände, Binsen für das Dach, einem Flechtzaun zum Schutz des Gemüsegartens.
Oft kommt es dabei zu einem Gespräch im Schatten des Dorfbaumes, zu dem sich immer mehr Neugierige gesellen. Viel haben die Menschen nicht hier, doch sie haben Zeit und teilen sie gerne mit anderen. Es ist ihre offene Herzlichkeit, die man als stärksten Eindruck mitnimmt von dieser Reise in eine sehr fremde Welt.
Boote auf dem Casamance. (Fotos: mlz)
Tipps und Infos:
Beste Reisezeit: Mitte Oktober bis Mitte März. Sonst zu heiss und zu nass.
Anreise: mit TAP, Air France oder Air Maroc nach Dakar, weiter nach Ziguinchor mit Air Sénégal oder zweimal pro Woche mit dem neuen Fährschiff.
Schöne Hotels: «Kadimandoumagne» am Fluss in Ziguinchor (Schweizer Co-Leitung); «La Paillote» und «Les Hibiscus» in Cap Sirring.
Vorbereitung: Visum und unbedingt Malariaprophylaxe.
Marie-Louise Zimmermann
(Erschienen in der Berner Zeitung vom 12.9.2008)